Bildung – austauschbar wie Waschmittel?
Bildungsmacher | Klubschule Migros Zürich
In den letzten Monaten hat eine breite Schicht der Bevölkerung realisiert, dass Lernen auch ohne Klassenraum und Lehrperson möglich ist. Im Internet ist Wissen gratis oder sehr günstig und in ausreichender Qualität jederzeit abrufbar, vom YouTube-Tutorial für Excel-Anwendungen zu Sprachlern-Apps bis hin zu Führungskursen, inklusive Zertifikat, auf LinkedIn. Wir können davon ausgehen, dass sich das Kundenverhalten nach der Pandemie unumkehrbar verändern wird oder schon verändert hat.
Zusätzlich zum Bildungsüberangebot im Netz finden wir in der Schweiz unzählige Weiterbildungsmöglichkeiten für formale oder nicht formale Abschlüsse, die in Präsenz (online oder offline), durchgeführt werden.
Bildung ist zu einer Ware geworden, die wie Waschmittel, überall verfügbar und austauschbar ist. Die Versprechen ähneln sich. Anstelle von «weisser, weicher, wohlriechender» gilt «weiser, weiter (entwickelt), wichtiger (in der Firma)».
Angesichts obiger Aspekte ist die Zeit reif, sich nicht nur zu Unterrichtsformaten (Präsenz, Hybrid, Online) Gedanken zu machen, sondern sich grundsätzlich zu überlegen, was die Institution für wen unterrichtet und anbietet.
1. Schritt – wer sind Ihre Kundinnen und Kunden?
Wissen Sie wirklich, wer Ihre Angebote besucht? Damit der abstrakte Begriff der Zielgruppe ein Gesicht erhält, hat sich das Entwickeln von Personas bewährt. Anhand einer fiktiven Person, die typisch für eine Zielgruppe ist, können die Eigenschaften, Ansprüche und das Verhalten vereinfacht beschrieben werden. Beim Entwickeln von Angeboten, dem Planen der Kommunikationsmassnahmen oder dem Einstellen der Lehrpersonen hilft es, einen Menschen vor Augen zu haben für den man arbeitet.
Zum Erstellen einer Persona beantworten Sie ganz konkrete Fragen:
- Wo wohnt und arbeitet sie?
- Was motiviert sie und was ist frustrierend?
- Welche Ziele verfolgt sie?
- Was macht sie in der Freizeit?
- Wie viel Geld steht ihr zur Verfügung?
- usw.
Mit diesen Angaben erstellen Sie einen Persona-Canvas
Vorlage für einen Persona-Canvas, Quelle: eigene Darstellung
Wichtig ist, bei den Bedürfnissen nicht nur an Angebote zu denken, sondern die gesamte Customer Journey vor Augen zu haben. Diese beginnt bei der Suche nach passenden Angeboten, umfasst die Beratung, die Buchung, die Rechnungsstellung, den Besuch des Kurses oder Lehrganges, die Selbstlernphasen und Prüfungen sowie allfällige Abschlussfeiern und Ehemaligenveranstaltungen. In all diesen Bereichen gibt es Möglichkeiten, die Kundinnen und Kunden zu begeistern oder ihnen Leben zu vereinfachen. So könnte eine prestigeorientierte Person sich für Ihr Institut entscheiden, weil Sie über einen hochkarätigen Alumnus verfügen. Bei Teilnehmenden, für die der soziale Aspekt im Vordergrund steht, spielen ein empathisches Umfeld und die Möglichkeiten sich auszutauschen, eine grosse Rolle.
Gehören Firmen zu Ihren Kunden, dann erstellen Sie eine Persona für Ihre Ansprechpersonen, z.B. jemanden aus der Personalentwicklung. Für diese Person ist eine administrative Entlastung möglicherweise genauso wichtig wie die Lerninhalte.
Beim Erstellen der Persona-Canvas denken Sie immer daran, dass nicht Sie der Kunde, die Kundin sind. Neben den Unternehmensdaten sind Gespräche mit Verkaufsmitarbeitenden und Ihren Kunden aufschlussreich, um die Bedürfnisse wirklich zu erfassen.
2. Schritt – Angebotsideen entwickeln
Es ist vielen von uns schon passiert. Wir hatten eine vermeintlich geniale Idee, setzen diese um, um dann festzustellen, dass sie sich leider nicht zum grossen Erfolg entwickelt.
Drei Professoren der Stanford University entwickelten zu Beginn der 2000-er Jahre die Design Thinking Methode, um genau dies zu vermeiden. Es ist ein Ansatz, der zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen führt, die aus Anwendersicht überzeugen. Die Kernpunkte sind das tiefe Verständnis des Kunden sowie das Erstellen und Validieren von Prototypen bis schlussendlich ein attraktives Angebot steht. Es ist zentral, dass beim Design Thinking Prozess Teilnehmende aus den verschiedenen Abteilungen mitarbeiten.
Aus den Ideen, die durch die Entwicklung von Personas und der Customer Journey entstehen, können Prototypen entwickelt werden. Diese Ideen können in Kundeninterviews validiert und angepasst werden. Unter einem Prototypen können Sie sich den gezeichneten Ablauf einer App, ein neues Angebot oder eine neue Unterrichtsmethode vorstellen. Wichtig ist, dass der Prototyp nur so weit entwickelt ist, dass die Kundin sich etwas darunter vorstellen kann und Sie es ohne grossen Aufwand ihren Bedürfnissen anpassen können.
Diesen Prozess werden Sie möglicherweise mehrmals durchspielen, bis das Produkt den Vorstellungen der Kundinnen und Kunden wirklich entspricht. Das scheint auf den ersten Blick extrem aufwändig. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass ein Flop viel teurer zu stehen käme und sich dieser Aufwand lohnt. Zusätzlich entstehen durch die intensiven Gesprächen mit Kunden oft neue Ideen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie so Dienstleistungen oder Angebote kreieren, die sich von der Konkurrenz abheben und in den Augen Ihrer Zielgruppe einmalig sind, ist hoch.
Für Institutionen, die sich jetzt intensiv mit Ihrer Zukunft auseinandersetzen möchten, empfehlen wir die Online-Tagung «Gestaltung der Weiterbildung nach der Corona-Krise». Sie kann als idealer Kick-Off verstanden werden, um über die Anliegen der Kundinnen und Kunden nachzudenken.
Die Tagung findet am 27. Januar von 13.30 – 18 Uhr statt und wurde von der PH Zürich und dem SVEB entwickelt. Die ZKW unterstützt diesen Anlass als Praxispartnerin.
©ZKW Zürcher Konferenz für Weiterbildung – Auf Kopieren oder anderweitiges Vervielfältigen wird mit rechtlichen Schritten reagiert.
Der Design Thinking Prozess, schematische Darstellung
Autorin
Name: Gaby Billing
Beruf: Mitglied der Schulleitung der Klubschule Migros Zürich zuständig für das Produktmanagement und Marketing
Website: Klubschule Migros
«Bildung für alle»: Diesen Leitgedanken verfolgt die Klubschule Migros seit über 75 Jahren. Möglichst vielen Bevölkerungsschichten den Zugang zur Weiterbildung zu ermöglichen, gehörte für die Migros von Beginn weg zu ihrem sozialen und kulturellen Engagement. Nicht zuletzt dank der Unterstützung durch das Migros-Kulturprozent profitieren Lerninteressierte von einem aussergewöhnlich vielfältigen Angebot.
Die Klubschule Migros ist die führende private Bildungsinstitution der Schweiz. Jährlich besuchen mehr als 300‘000 Menschen einen Kurs oder eine Weiterbildung an rund 50 Standorten in der ganzen Schweiz. Zur Auswahl stehen über 600 verschiedene Angebote.