«Expedition Arbeitswelt» – damit der Start ins Abenteuer gelingt

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Wir bewegen und mit grossen Schritten auf den Lehrstart zu. Nur noch wenige Wochen und die neuen Lernenden sind in den Betrieben da!

Wie ist es den Berufsbildenden zu mute, wenn Sie an den Lehrstart und an die bevorstehende «Expedition» mit den neuen Lernenden denken? Eines ist sicher, nicht nur die Berufsbildenden, sondern auch ihre zukünftigen Lernenden beschäftigt dieses neue Abenteuer. Dieses grosse Ereignis für die Lernenden haben wir zum Anlass genommen, um den Berufsbildenden einige Gedanken und Tipps aus der Praxis mit in die bevorstehende Zeit zugeben. …und ja, wichtig ist es frühzeitig mit der Organisation und den Vorbereitungen zum Start der «Expedition» zu beginnen.

Grundsätzliche Gedanken

Mit dem Lehrbeginn geht für die Jugendlichen eine neue, noch nie dagewesene Welt auf. «Neuland» wird betreten, entdeckt und in Anspruch genommen. In diesem Prozess werden Sie mit der Kultur, den Regeln und den Erwartungen, den Denkweisen, dem Verhalten der «Eingeborenen» konfrontiert. Dabei geht es für die Lernenden immer wieder darum den eigenen Platz zu finden, sich mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen und den Sinn für sich selber zu erkennen. «Was hat das mit mir zu tun?» ist die Frage die sich Lernende häufig stellen, bewusst oder unbewusst.

Die optimalsten Voraussetzungen für die erfolgreiche «Expedition» in die Arbeitswelt sind:

  • Lernende sind von ihrem gewählten Beruf sehr überzeugt
  • Lernende können sich gut konzentrieren und strukturieren
  • Lernende erleben ein stabiles privates Umfeld und haben eine positive Beziehung zu den Eltern
  • Lernende lassen sich auf neue Beziehungen ein und können diese aufrecht erhalten

Nicht alle Lernenden erleben diese Voraussetzungen, oder können sie für sich in Anspruch nehmen. Gerade deshalb lohnt es sich einige Gedanken zum Lehrstart zu machen. Dies gilt für Berufsbildende, welche Lernende mit optimalen oder suboptimalen Voraussetzungen mitbringen in die Lehre. Damit die «Expedition Arbeitswelt» erfolgreich starten kann. Hier sind Sie als Expeditionsleiter/in gefragt.


Die Sicht der Lernenden

Wir haben Lernende befragt, was ihnen beim Lehrstart und in der Zusammenarbeit mit den Berufsbildenden als «Expeditionsleiter/in» wichtig ist. Hier die zusammengefassten Antworten:

  • Cooles Team kennenlernen (freundlich, aufgestellt, humorvoll und mit Lebensfreude, auf Augenhöhe)
  • Unterstützung und Geduld erhalten (hilfsbereit und geduldig sein, wenn ich es nicht checke, nicht ausrasten, nachfragen und fragen dürfen)
  • Vertrauen durch das Team erhalten (z. B eigener Schlüssel)
  • Nicht zu viele Informationen auf einmal (kann mir nicht so viel merken)
  • Erwartungen klar und verständlich kommunizieren (ich möchte es verstehen und gut machen)
  • Zeit erhalten (für Gespräche, Erklärungen, zum Beobachten, für praktische Arbeiten)
  • Gleiche Rechte für alle (nehmen sie mich ernst?)
  • Verantwortung durch neue Tätigkeiten und Arbeiten übernehmen können (möchte Aufgabe verstehen, sinnvolle und genügend Arbeit erhalten und weiterkommen)
  • vorbereiteter eigener Arbeitsplatz oder Werkzeuge/Hilfsmittel (PC, Werkzeugkiste, Werkzeuge, Arbeitskleider)

Wir sind überzeugt, den Berufsbildenden geben diese Erwartungen einen Anhaltspunkt was Lernenden zum Start wirklich wichtig ist. Sie sollten sich mit den Erwartungen der Lernenden auseinandersetzen und Ideen und Strategien entwickeln, wie sie die Lernenden optimal einbeziehen und im Alltag integrieren können.

Die Sicht aus der Praxis

Die entspannte, zwischenmenschliche Beziehung, die Akzeptanz als vollwertige Person, das Verständnis und die Geduld sind zentrale Elemente, welche die Expedition vorantreiben, weil auch die Lernenden unter diesen Umständen viel eher bereit sind zu engagieren und zu partizipieren.

Berufsbildenden sollen Wertschätzung leben (wie oft gibt es ein Lob und Anerkennung?). Sie sollen sich ihrer Vorbildrolle bewusst sein und regelmässig Feedbacks zur geleisteten Arbeit und dem gezeigten Verhalten geben. Menschlich und konsequent!

Als Expeditionsleiter/in stellt sich immer wieder die Grundsatzfrage «Was, mit wem, in welcher Form, und welchem Zeitpunkt»?

Hier einige Eckwerte zur ersten Woche:

Vor Lehrbeginn:

  • Einladungsbrief für den Lehrstart verfassen und versenden
    (Persönliche Anrede, Lehrstart Datum / Zeit / genaue Adresse / Kleidervorschriften / Arbeitszeiten / evtl. Programm erster Tag in der Lehre)
  • Den Lehrstart mindestens eine Woche vor Start der Berufsschule setzen!
  • Hilfs- und Arbeitsmittel, Arbeitskleider bestellen und vorbereiten
  • Gotti / Götti zuteilen für die ersten Wochen
  • Team informieren über Teamerweiterung
  • Anmeldung BFS (informieren Sie sich in der Branche/beim Verband)
  • Willkommensgruss vorbereiten (erster Eindruck zählt)

Am ersten Lehrtag:

  • Gut strukturierter erster Tag – Begrüssung, Kennenlernen im Team, Ankommen (weniger ist mehr!)
  • Betreuung/Götti erste Arbeitswoche – mitarbeiten und beobachten lassen
  • Sicherheitsrelevante Elemente besprechen
  • Orientierung über gemeinsames Mittagessen
  • Kurzer Tagesrückblick mit Betreuungsperson – plus Ausblick für erste Arbeitswoche

In der ersten Woche:

  • Einführung in Verhaltensweisen/Erwartungen (Informationen nach dem Prinzip Dingend und Wichtig weiterleiten)
  • Einführung in Örtlichkeiten
  • Infos über Berufsfachschule und Überbetrieblicher Kurs
  • Erste selbständige, einfachere Arbeiten ausführen lassen in Zusammenarbeit mit Götti/Gotti
  • Wochenendgespräch und Ausblick erster Arbeitsmonat mit BB,
  • Info über regelmässigen Rückblick, Ausblick und Fördergespräche (institutionalisiert!)

Berufsbildende geben Orientierung und Sicherheit. Dies gilt auch in auf das Schaffen von Klarheit in Bezug auf das Bestehen der Probezeit. In der 10. Woche ist das Thema Probezeitende anzusprechen und einen Termin zu vereinbaren für das Gespräch mit den Lernenden. Sie benötigen Klarheit darüber, wo sie stehen und wie es weitergeht. Steht eine Probezeitverlängerung an, muss diese vom jeweiligen kantonalen Berufsbildungsamt bewilligt werden.

Die schulische Sicht

Die meisten Lehrverhältnisse werden wegen mangelnder schulischer Leistungen aufgelöst. Um diesem Umstand Gegensteuer zu geben ist es wichtig diesen Bereich zu begleiten und das Lernen zu unterstützen. Denken Sie daran, die Lernenden sind in diesem Bereich auf Ihrer «Expedition» zum ersten Mal selbständig unterwegs, oftmals auch «verlassen» von den Eltern. Dies aufgrund verschiedenster Gründe (Selbständigkeit, Rückzug aus Verantwortung, Förderung der Verantwortung, Konflikte mit dem Kind, etc.)

Lernleistungen beobachten: Beobachten Sie die Lernleistungen von Beginn der Lehre, damit bei einer Überforderung frühzeitig interveniert und Massnahmen ergriffen werden können in Form von Aufgabenhilfe im Betrieb oder Stützunterricht an der Berufsfachschule.

Lern-Strukturen schaffen: Lernende sind sich aus dem schulischen Kontext an Strukturen gewöhnt. Erarbeiten Sie Wochenpläne mit den Lernenden, welche über den betrieblichen Kontext hinausgehen, mit vereinbarten Lern- und Aufgabenzeiten. Sprechen Sie nach einem Berufsschultag die Lernenden auf den Unterricht und das Gelernte an (z.B was hast Du gestern gelernt, nenne mir zwei Elemente). Geben Sie dem schulischen Inhalt mehr Gewicht!

Nachteilausgleich: Wird Anfang Lehre festgestellt, die Lernende Person hat auf körperlicher, geistiger und/oder psychischer Ebene festgestellte Defizite und Symptom, hat der Betrieb die Möglichkeit nach fachlichen Abklärungen, den Nachteilsausgleich zu beantragen. Hier eine Übersicht zum Thema Nachteilsausgleich.

Wir von berufsbildner.ch wünschen allen Berufsbildenden einen erfolgreichen Start in die «Expedition Berufsbildung» mit Ihren Lernenden und viele positive Überraschungen – auf ein spannendes Abenteuer!

©ZKW Zürcher Konferenz für Weiterbildung – Auf Kopieren oder anderweitiges Vervielfältigen wird mit rechtlichen Schritten reagiert.

Autor

Name: Simon Hausammann

Beruf: Geschäftsleiter berufsbildner.ch AG

Website: berufsbildner.ch

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Simon Hausammann

Wir leben Berufsbildung! Seit vielen Jahren führen wir Berufsbildnerkurse, Seminare sowie den Diplomlehrgang (100-Stünder), den SVEB Praxisausbilder/in, den SVEB Kursleiter/in und den Lehrgang Berufsbildungsfachleute durch. Unsere Kursangebote geben auf aktuelle Berufsbildungsfragen Antworten und zeichnen sich durch ein qualitativ hohes Niveau aus. Um diesen Anspruch zu erfüllen, überprüfen wir unsere Angebote laufend und entwickeln die Lerninhalte kontinuierlich weiter.