Lernkurve in der Erwachsenenbildung

Bildungsmacher | IPC Akademie AG

In der Erwachsenenbildung beobachten wir eine typische Lernkurve. Diese unterscheidet sich von jener, die wir bei Schülern bzw. Kindern sehen. Für Erwachsenenbildner und Mitarbeiter in Ausbildungsinstitutionen ist es nützlich, sich diese Lernkurve zu vergegenwärtigen. Ein besseres Verständnis hilft dabei zu erkennen, wo sich ein Erwachsener aktuell in seiner Entwicklung befindet.

Ich möchte daher in meinem Beitrag auf diese Punkte eingehen:

  • Was ist eine Lernkurve?
  • Wie lässt sich zu einem schnelleren Anstieg der Lernkurve bei Erwachsenen beitragen?
  • Warum wir die individuelle Lernkurve der erwachsenen Lernenden respektieren sollten.
  • Warum es hilfreich sein kann, sich die Unterschiede im Lernverhalten von Erwachsenen und Kindern zu vergegenwärtigen.

Was ist eine Lernkurve?

Für die Bewältigung einer Aufgabe benötigt ein Lernender eine bestimmte Anzahl an Versuchen oder eine bestimmte Zeit, bis er zum gewünschten Ergebnis gelangt. Seine Leistung bei einer Aufgabe steht in einem Zusammenhang mit dem Lernaufwand, den er bisher betrieben hat. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand eines Kurvenverlaufs darstellen.

Es gilt folgende Definition: Lernkurve = Kompetenzentwicklung eines Lernenden

Diese Kurve zeigt typischerweise einen starken Anstieg der Leistung während der ersten Versuche und verflacht, sobald der Lernende sich eine gewisse Zeit lang mit dem Problem beschäftigt hat. Der Lernende kann eine Aufgabe also immer effizienter lösen, der Anstieg der Effizienz verringert sich jedoch irgendwann merklich.

Deshalb ist der Lernaufwand in einem bestimmten Bereich gerade am Anfang durch grosse Lernerfolge geprägt. Jedoch stellen sich bei zu vielen Versuchen, kaum neue Erfolge ein und die Effizienz steigt nur noch minimal oder gar nicht mehr an.

Das Modell der Lernkurve ist in vielen Bereichen anwendbar

Überall, wo sich Wissen vermitteln lässt, kann das Lernkurvenmodell zur Anwendung kommen. Voraussetzung ist, dass sich der Lernerfolg über die Zeit verfolgen und messen lässt. Typisch ist die Messung der Mitarbeiterleistung zum Beispiel in einem Industriebetrieb. Die Bedienung von Maschinen durch die Mitarbeiter/innen erfordert einige wiederholbare Schritte. Es lässt sich messen, wie schnell und kompetent die Mitarbeiter/innen die Aufgabe bewältigen und die Maschine produktiv einsetzen.

Die Lernkurve ist nicht in allen Bereichen sinnvoll anwendbar und hat daher ihre Grenzen. Das gilt für alle Variablen, die schwer messbar sind wie zum Beispiel die Motivation eines Menschen. Probleme kann das Modell auch bereiten, wenn die Anzahl der zu berücksichtigenden Variablen sehr hoch ist und der betrachtete Vorgang damit eine entsprechende Komplexität aufweist.

Wie lässt sich zu einem schnelleren Anstieg der Lernkurve bei Erwachsenen beitragen?

Für das Lernverhalten von Erwachsenen spielen Faktoren wie Selbstbestimmtheit und die praktische Anwendung von Gelerntem eine wichtige Rolle. Gerade bei Erwachsenen ist das Timing der Massnahmen entscheidend, um Lerninhalte dauerhaft im Gedächtnis zu verankern. Dabei hilft das Lernen im Arbeitsalltag.

Der Lernende sollte seine neuen Fähigkeiten so schnell wie möglich in seinem Beruf anwenden, um sie dauerhaft zu behalten. Liegt zu viel Zeit zwischen einer Phase der häufigen Wiederholungen im Lernumfeld und der ersten praktischen Anwendung im richtigen Leben, gehen Lernerfolge wieder verloren.

In diesem Zusammenhang ist auch von einer Vergessenskurve die Rede, wie sie der Psychologe Hermann Ebbinghaus beschrieben hat. Sie lässt sich als eine umgekehrte Lernkurve verstehen und verdeutlicht, dass gerade direkt nach dem Erlernen das Vergessen schnell abläuft und dann ebenfalls verflacht. Die Zeit nach der Durchführung der Bildungsmassnahmen ist also entscheidend, um Lernerfolge langfristig abzusichern.

Warum wir die individuelle Lernkurve der erwachsenen Lernenden respektieren sollten

Lernen ist ein individueller Vorgang. Jeder lernt anders und in einer anderen Geschwindigkeit. Das gilt es auch bei der Betrachtung der Lernkurve zu berücksichtigen. Der grundsätzliche Verlauf der Lernkurve lässt sich verallgemeinern. Das Lernverhalten aller Erwachsenen basierend auf Wiederholungen weist also gemeinsame Charakteristiken auf. Das sagt dem Ausbildner aber noch nicht, wie schnell der einzelne Erwachsene zum Ziel gelangen kann und wie sich die Lernerfolge im jeweiligen Fall verbessern lassen.

Probleme entstehen in der Erwachsenenbildung, wenn keine Individualisierung der Wissensvermittlung stattfindet. Ein typisches Beispiel sind Onlineseminare, die Unternehmen gerne für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter/innen einsetzen. Diese folgen in der Vermittlung der Lerninhalte häufig dem Giesskannenprinzip und sind daher wenig effizient.

Ein adaptives Lernen umzusetzen, das auf die Eigenheiten aller Lernenden individuell eingeht, erhöht nicht nur den Lerneffekt. Wer Lernangebote auf die einzelnen Teilnehmer/innen zuschneidet, erhält die Möglichkeit, die Lernkurve für jeden einzeln zu erfassen. Der Lerneffekt lässt sich messen und Unterschiede aufzeigen. Ausbildner, die mit ihrem Angebot auf die Vielfalt ihrer Teilnehmer/innen eingehen, können sehen, wer welche Module benötigt und mit welcher Lerngeschwindigkeit sie am besten zurechtkommen.

Einheitslösungen für alle Lernenden sind weniger effizient und genügen auch nicht den Anforderungen, die Erwachsene an die Ausbildung mitbringen. Ein Vorteil der Erwachsenen besteht in ihrer hohen Eigenmotivation. Sie können selbst entscheiden, welche Inhalte sie als Nächstes angehen möchten und müssen daher die Möglichkeit erhalten, auf diese zugreifen zu können, unabhängig von den Lernfortschritten der anderen Teilnehmer/innen. Neben einem modularen ist daher auch ein asynchroner Aufbau des Bildungsangebots sinnvoll.

Warum es hilfreich sein kann, sich die Unterschiede im Lernverhalten von Erwachsenen und Kindern zu vergegenwärtigen

Die Bedürfnisse von Erwachsenen in der Bildung lassen sich häufig einfacher verdeutlichen, indem wir uns die Unterschiede zum Lernen der Kinder ansehen. Denn ältere Menschen verhalten sich in dieser Hinsicht anders als jüngere. Insbesondere funktioniert bei Erwachsenen das implizite Lernen nicht mehr so gut wie bei Kindern. Erwachsene lernen also weniger spielerisch und nebenbei, sondern wählen eine andere Herangehensweise.

Beim Erwachsenen ist das Lernen stärker durch den Kopf gesteuert. Sie möchten erst verstehen und dann ausprobieren. Ausserdem ist der Prozess bei Erwachsenen nicht linear ausgerichtet. Kinder lernen häufig Schritt für Schritt. Das vereinfacht es, das Lernangebot zu strukturieren. Erwachsene sind in ihrem Lernverhalten weniger berechenbar, weil sie auf ihren Erfahrungen aufbauen. Und die sehen bei allen Teilnehmenden anders aus.

Ausbilder müssen sich bei Erwachsenen auf einen flexibleren Lernprozess einstellen. Die Teilnehmer/innen möchten vielleicht einen Schritt überspringen oder es kommt zu einer plötzlichen Stagnation. Ein guter Ausbilder muss darauf meiner Ansicht nach Rücksicht nehmen und sich nach den Bedürfnissen des Lernenden richten.

Wichtig ist es, die Lernkurve dabei nie aus dem Blick zu verlieren. Sie zeigt an, wann wir uns in der Phase der grössten Lernerfolge befinden und wann Wiederholungen nur geringe zusätzliche Erfolge erbringen. Kinder starten auf der Lernkurve häufig ganz am Anfang, da sie noch keine Vorkenntnisse mitbringen. Daher sind die anfänglichen Lernerfolge enorm und stellen eine grosse Freude in der Arbeit mit Kindern dar.

Erwachsene hingegen starten häufig mit Vorkenntnissen. Es ist daher davon auszugehen, dass ihre Lernkurve nicht ganz so steil sein sollte wie bei Kindern und die Verflachung der Kurve eventuell früher erreicht ist. Gezielte und kürzere Ausbildungen könnten daher sinnvoller sein als sehr ausgedehnte und zu allgemeine.

Quellenangaben:
Valamis
Insights
AAZB
Limbeckgroup
Neuronation
Zeit

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Autor

Name: Roger Erni

Beruf: Geschäftsführer

Website: IPC Akademie

Motto: „Neue Wege und Herausforderungen erfordern neue Methoden und Herangehensweisen“

IPC Akademie
Roger Erni

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